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Logik
Die Logik
- versucht, gültige Argumentationen von ungültigen zu unterscheiden,
- hat Anwendungen in der Informatik,
- formalisiert die zu untersuchenden Aussagen und
- beschränkt sich auf einen wohldefinierten Teil der möglichen Aussagen => es gibt verschiedene "Logiken", z.B. "Aussagen-" und "Prädikatenlogik"
- daneben:
- temporale Logiken (Mastervorlesung "Verifikation")
- modale Logiken
- epistemische Logiken
- ...
- daneben:
Syllogismen
Aristoteles (384-322 v.Chr.) untersuchte das Wesen der Argumentation und des logischen Schließens mit dem Ziel, korrekte von inkorrekten Argumenten zu unterscheiden. Verschiedene Werke, u.a. Analytica priora, Analytica posteriora.
Aristoteles nennt die logischen Schlußfolgerungen Syllogismen (griechisch: "Zusammenrechnung").
Ein Syllogismus ist eine Aussage, in der bestimmte Dinge [die Prämissen] behauptet werden und in der etwas anderes [die Konsequenz], unumgänglich aus dem Behaupteten folgt. Mit dem letzten Satz meine ich, dass die Prämissen die Konsequenz zum Resultat haben, und damit meine ich, dass keine weitere Prämisse erforderlich ist, um die Konsequenz unumgänglich zu machen.
Beispiele
Wenn alle Menschen sterblich sind und
Sokrates ein Mensch ist,
dann ist Sokrates sterblich.
Wenn eine Zahl gerade und größer als zwei ist,
dann ist sie keine Primzahl.
Wenn die Leitzinsen hoch sind,
dann sind die Börsianer unzufrieden.
Aristoteles identifizierte einige zulässige Syllogismen, die Scholastiker fügten weitere hinzu:
(Barbara)
Alle Dackel sind Hunde Alle P sind M
Alle Hunde sind Tiere Alle M sind S
Dann sind alle Dackel Tiere Alle P sind S
(Cesare)
Keine Blume ist ein Tier Kein P ist M
Alle Hunde sind Tiere Alle S sind M
Dann ist keine Blume ein Hund Kein P ist S
(Darapti)
Alle Delfine leben im Meer Alle M sind P
Alle Delfine sind Säugetiere Alle M sind S
Dann leben einige Säugetiere im Meer Einige S sind P
Kalküle
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) wollte korrekte von inkorrekten Argumentationsketten unterscheiden. Hierzu sollte ein Kalkül entwickelt werden, in dem alle korrekten Argumentationsketten ermöglicht sind (und keine inkorrekten).
David Hilbert (1862-1943) entwickelte solche Kalküle. Diese "Hilbertkalküle" sind sehr verschieden von üblichen Argumentationsmustern.
Gerhard Gentzen (1909-1945) entwickelte Kalküle des "natürlichen Schließens", die übliche Argumentationsmuster formalisieren.
Die Aussagenlogik
George Boole (1815 - 1864) entwickelte einen Kalkül zum Rechnen mit atomare Aussagen, die entweder wahr oder falsch sein können.
Verknüpfung durch Operatoren(und, oder, nicht, wenn-dann... ).
Die Prädikatenlogik (Ende des 19. Jahrhunderts)
Gottlob Frege (1848-1925), Giuseppe Peano (1858-1932) und Bertrand Russell (1872-1970)entwickelten die Logik zur Grundlage der Mathematik, als formale Basis für die Vermeidung von Widersprüchen. Entwicklung der Prädikatenlogik, die erlaubt:
- Beziehungen zwischen "Objekten" zu beschreiben
- existentielle Aussagen zu treffen: "es gibt ein x, so dass... "
- universelle Aussage zu treffen: "für jedes x gilt, dass... "
Logik in der Informatik
Claude Shannon (1916 - 2001) benutzt die Aussagenlogik 1937, um elektromechanische Schaltkreise zu beschreiben und zu optimieren.
Allen Newell (1927-1992), Herbert Simon (1916-2001) und Alan Robinson (1930-2016) entwickelten 1950-1960 die ersten Systeme für die Automatisierung des logischen Schließens als Werkzeug der Künstlichen Intelligenz.
- Schaltkreisentwurf: Schaltkreise lassen sich durch logische Formeln darstellen -> Entwurf und Optimierung von Schaltungen
- Modellierung und Spezifikation: Eindeutige Beschreibung von komplexen Systemen
- Verifikation: Beweisen, dass ein Programm das gewünschte Verhalten zeigt
- Datenbanken: Formulierung von Anfragen an Datenbanken -> Abfragesprache SQL (Structured Query Language)
- (klassische) Künstliche Intelligenz:
- Planung
- Mensch-Maschine Kommunikation
- Theorembeweiser: Der Computer beweist mathematische Sätze -> automatischer Beweis von wichtigen Sätzen im Bereich der Booleschen Algebren
- Logische Programmiersprachen
Außerdem: Logik ist ein Paradebeispiel für Syntax und formale Semantik
Edsger W. Dijkstra (1920-2002): Informatik = VLSAL (Very large scale application of logics)
Die Logik
- versucht, gültige Argumentationen von ungültigen zu unterscheiden,
- hat Anwendungen in der Informatik,
- formalisiert die zu untersuchenden Aussagen
Probleme mit natürlicher Sprache
- Problem: Zuordnung von Wahrheitswerten zu natürlichsprachigen Aussagen ist problematisch.
- Beispiele:
- Ich habe nur ein bißchen getrunken.
- Sie hat sich in Rauch aufgelöst.
- Das gibt es doch nicht!
- Rache ist süß.
- Beispiele:
- Problem: Natürliche Sprache ist oft schwer verständlich.
- Beispiel: Auszug aus der "Analytica Priora" von Aristoteles
- Die Aussage: Wenn der Mittelbegriff sich universell auf Ober- oder Untersatz bezieht, muss ein bestimmter negativer Syllogismus resultieren, immer wenn der Mittelbegriff sich universell auf den Obersatz bezieht, sei es positiv oder negativ, und besonders wenn er sich auf den Untersatz bezieht und umgekehrt zur universellen Aussage.
- Der Beweis: Denn wenn M zu keinem N gehört, aber zu einem O, ist es notwendig, dass N zu einem O nicht gehört. Denn da die negative Aussage umsetzbar ist, wird N zu keinem M gehören: Aber es war erlaubt, dass M zu einem O gehört: Deshalb wird N zu einem O nicht gehören: Denn das Ergebnis wird durch die erste Figur erreicht. Noch einmal: Wenn M zu allen N gehört, aber nicht zu einem O, ist es notwendig, dass N nichtzu einem O gehört: Denn wenn N zu allen O gehört und M auch alle N-Eigenschaften zugeschrieben werden, muss M zu allen O gehören: Aber wir haben angenommen, dass M zu einem O nicht gehört. Und wenn M zu allen N gehört, aber nicht zu allen O, können wir folgern, dass N nicht zu allen O gehört: Der Beweis ist der gleiche wie der obige. Aber wenn M alle O-Eigenschaften zugeschrieben werden, aber nicht alle N-Eigenschaften, wird es keinen Syllogismus geben.
- Problem:Natürliche Sprache ist mehrdeutig.
- Beispiel: "Ich sah den Mann auf dem Berg mit dem Fernrohr."
- (((Ich sah den Mann) auf dem Berg) mit dem Fernrohr)
- ((Ich sah (den Mann auf dem Berg)) mit dem Fernrohr)
- ((Ich sah den Mann) (auf dem Berg mit dem Fernrohr))
- (Ich sah ((den Mann auf dem Berg) mit dem Fernrohr))
- (Ich sah (den Mann (auf dem Berg mit dem Fernrohr)))
- Beispiel: "Ich sah den Mann auf dem Berg mit dem Fernrohr."
- Problem:Natürliche Sprache hängt von Kontext ab.
Die Beatles sind Musiker
Paul McCartney ist ein Beatle
Paul McCartney ist ein Musiker
Die Beatles sind vier
Paul McCartney ist ein Beatle
Paul McCartney ist vier
Kapitel 1: Aussagenlogik
Beispiel
Ein Gerät besteht aus einem Bauteil A, einem Bauteil B und einem roten Licht. Folgendes ist bekannt:
- Bauteil A oder Bauteil B (oder beide) sind kaputt.
- Wenn Bauteil A kaputt ist, dann ist auch Bauteil B kaputt.
- Wenn Bauteil B kaputt ist und das rote Licht leuchtet, dann ist Bauteil A nicht kaputt.
- Das rote Licht leuchtet.
Zur Formalisierung verwenden wir folgende Abkürzungen:
- RL (rotes Licht leuchtet),
- AK (Bauteil A kaputt),
- BK (Bauteil B kaputt),
\vee
(oder),\rightarrow
(wenn, dann),\wedge
(und) und\lnot
(nicht).
Damit können wir unser Wissen kompakter hinschreiben:
AK \vee BK
AK \rightarrow BK
(BK \wedge RL)\rightarrow \lnot AK
RL
Aus den vier Aussagen lassen sich weitere Aussagen neue Aussagen bilden
5. Falls AK
gilt, so folgt aus AK\rightarrow BK
, dass BK
gilt.
6. Falls BK
gilt, so gilt natürlich BK
.
7. Da AK \vee BK
gilt, folgt aus (5) und (6), dass BK
in jedem Fall gilt.
8. Es gilt auch RL
.
9. Also gilt BK\wedge RL
(aus (7) und (8)).
10. Es gilt auch (BK \wedge RL)\rightarrow\lnot AK
.
11. Also gilt \lnot AK
(aus (9) und (10)).
Damit sind wir überzeugt, dass das Bauteil A heil ist.
Den Beweis, dass das Teil A heil ist, werden wir als "Beweisbaum" formalisieren:
In der Aussagenlogik gehen wir von "Aussagen" aus, denen wir (zumindest prinzipiell) Wahrheitswerte zuordnen können.
Beispiele
- Die Summe von 3 und 4 ist 7.
- Jana reagierte aggressiv auf Martins Behauptungen.
- Jede gerade natürliche Zahl>2 ist Summe zweier Primzahlen.
- Alle Marsmenschen mögen Pizza mit Pepperoni.
- Albert Camus était un écrivain français.
- In theory, practically everything is possible.
Für diese Aussagen verwenden wir dieatomaren Formeln p,q,r
bzw. p_0,p_1,...
Die Aussagen werden durch "Operatoren" verbunden. Beispiele
- ... und...
- ... oder...
- nicht...
- wenn... dann...
- entweder... oder... , aber nicht beide.
- mehr als die Hälfte der Aussagen ... gilt.
Für solche zusammengesetzten Aussagen verwenden wir \varphi,\psi
usw.
Durch die Wahl der erlaubten Operatoren erhält man unterschiedliche "Logiken".
Da der Wahrheitswert einer zusammengesetzten Aussage nur vom Wahrheitswert der Teilaussagen abhängen soll, sind Operatoren wie "weil" oder "obwohl" nicht zulässig.
Syntax der Aussagenlogik
Eine atomare Formel hat die Form p_i
(wobei i\in\mathbb{N}=\{0,1,...\}
).
Formeln werden durch folgenden induktiven Prozess definiert:
- Alle atomaren Formeln und
\bot
sind Formeln. - Falls
\varphi
und\psi
Formeln sind, sind auch $(\varphi\wedge\psi),(\varphi\wedge\psi)$(\varphi \rightarrow\psi
)und $\lnot\varphi$Formeln. - Nichts ist Formel, was sich nicht mittels der obigen Regeln erzeugen läßt.
Beispielformel: \lnot((\lnot p_4 \vee p_1)\wedge\bot)
Bezeichnungen:
- Falsum:
\bot
- Konjunktion:
\wedge
- Disjunktion:
\vee
- Implikation:
\rightarrow
- Negation:
\lnot
Abkürzungen
p,q,r...
statt p_0,p_1,p_2...
(\bigvee_{i=1}^n \varphi_i
statt (...((\varphi_1\vee\varphi_2)\vee\varphi_3)\vee...\vee\varphi_n)
(\bigwedge_{i=1}^n \varphi_i)
statt (...((\varphi_1\wedge\varphi_2)\wedge\varphi_3)\wedge...\wedge\varphi_n)
(\varphi \leftrightarrow \psi)
statt ((\varphi\rightarrow\psi)\wedge(\psi\rightarrow\varphi))
Präzedenz der Operatoren:
\leftrightarrow
bindet am schwächsten\rightarrow
...\vee
...\wedge
...\lnot
bindet am stärksten
Es gilt also z.B.: (\alpha\leftrightarrow\beta\vee\lnot\gamma\rightarrow\sigma\wedge\lnot\eta) = (\alpha\leftrightarrow ((\beta\vee\lnot\gamma)\rightarrow(\sigma\wedge\lnot\eta)))
Dennoch: Zu viele Klammern schaden i.A. nicht.
Natürliches Schließen
Ein (mathematischer) Beweis zeigt, wie die Behauptung aus den Voraussetzungen folgt.
Analog zeigt ein "Beweisbaum" (= "Herleitung" = "Deduktion"), wie eine Formel der Aussagenlogik aus Voraussetzungen (ebenfalls Formeln der Aussagenlogik) folgt.
Diese "Deduktionen" sind Bäume, deren Knoten mit Formeln beschriftet sind:
- an der Wurzel steht die Behauptung (= Konklusion
\varphi
) - an den Blättern stehen Voraussetzungen (= Hypothesen oder Annahmen aus
\Gamma
) - an den inneren Knoten stehen "Teilergebnisse" und "Begründungen"
Konstruktion von Deduktionen
Aus der Annahme der Aussage \varphi
folgt \varphi
unmittelbar: eine triviale Deduktion
\varphi
mit Hypothesen \{\varphi\}
und Konklusion \varphi
.
Folgend werden wir
- überlegen, wie aus "einfachen mathematischen Beweisen" umfangreichere entstehen können und
- parallel dazudefinieren, wie aus einfachen Deduktionen umfangreichere konstruiert werden können.
Konjunktion
Konjunktionseinführung in math. Beweisen
Ein mathematischer Beweis einer Aussage "\varphi
und $\psi$" sieht üblicherweise so aus:
- "Zunächst zeige ich
\varphi
: ... (hier steckt die eigentliche Arbeit) - Jetzt zeige ich
\psi
: ... (nochmehr eigentliche Arbeit) - Also haben wir "
\varphi
und $\psi$" gezeigt. qed"
Konjunktionseinführung (ausführlich)
Ist D eine Deduktion von \varphi
mit Hypothesen aus \Gamma
und ist E eine Deduktion von \psi
mit Hypothesen aus \Gamma
, so ergibt sich die folgende Deduktion von \varphi\wedge\psi
mit Hypothesen aus \Gamma
:
Kurzform: \frac{\varphi\quad\psi}{\varphi\wedge\psi} (\wedge I)
Konjunktionselimination (ausführlich)
Ist D eine Deduktion von \varphi\wedge\psi
mit Hypothesen aus \Gamma
, so ergeben sich die folgenden Deduktionen von \varphi
bzw. von \psi
mit Hypothesen aus \Gamma
:
Kurzform: \frac{\varphi\wedge\psi}{\varphi} (\wedge E_1) \quad\quad \frac{\varphi\wedge\psi}{\psi} (\wedge E_2)
Beispiel
Wir zeigen \varphi\wedge\psi
unter der Hypothese \psi\wedge\varphi
:...
Dies ist eine Deduktion mit Konklusion \varphi\wedge\psi
und Hypothese \psi\wedge\varphi
(zweimal verwendet).
Implikation
Implikationseinführung in math. Beweisen
Ein mathematischer Beweis einer Aussage "Aus \varphi
folgt $\psi$" sieht üblicherweise so aus:
- "Angenommen,
\varphi
gilt. - Dann ... (hier steckt die eigentliche Arbeit).
- Damit gilt
\psi
. - Also haben wir gezeigt, dass
\psi
aus\varphi
folgt. qed"
Die Aussage \varphi
ist also eine "temporäre Hypothese".
Implikationseinführung (ausführlich)
Ist D eine Deduktion von \psi
mit Hypothesen aus \Gamma\cup\{\varphi\}
, so ergibt sich die folgende Deduktion von \varphi\rightarrow\psi
mit Hypothesen aus \Gamma
:
Kurzform
[\varphi]
\vdots
\frac{\psi}{\varphi\rightarrow\psi} (\rightarrow I)
Beispiel: ... Dies ist eine Deduktion von \varphi\rightarrow\varphi
ohne Hypothesen.
Implikationselimination in math. Beweisen
Ein mathematischer Beweis einer Aussage "\psi
gilt" über eine Hilfsaussage sieht so aus:
- "Zunächst zeigen wir, dass
\varphi
gilt: ... - Dann beweisen wir, dass
\psi
aus\varphi
folgt: ... - Also haben wir
\psi
gezeigt. qed"
Implikationselimination oder modus ponens (ausführlich)
Ist D eine Deduktion von \varphi
mit Hypothesen aus \Gamma
und ist E eine Deduktion von \varphi\rightarrow\psi
mit Hypothesen aus \Gamma
, so ergibt sich die folgende Deduktion von \psi
mit Hypothesen aus \Gamma
:
Kurzform: \frac{\varphi\quad \varphi\rightarrow\psi}{\psi} (\rightarrow E)
Beispiel
Bemerkung: die Indizes 1, 2 und 3 machen deutlich, welche Hypothese bei welcher Regelanwendung gestrichen wurde. Deduktionen können recht groß werden.
Diese Deduktion hat keine Hypothesen!
Disjunktion
Disjunktionselimination oder Fallunterscheidung in math. Beweisen
Ein mathematischer Beweis einer Aussage "\sigma
gilt" mittels Fallunterscheidung sieht üblicherweise so aus:
- "Zunächst zeigen wir, dass
\varphi\vee\psi
gilt: ... - Gilt
\varphi
, so gilt\sigma
, denn ... - Gilt
\psi
, so gilt ebenfalls\sigma
, denn ... - Also haben wir gezeigt, dass
\sigma
gilt. qed"
Die Aussagen \varphi
und \psi
sind also wieder "temporäre Hypothesen".
Disjunktionselimination oder Fallunterscheidung (ausführlich)
Ist D eine Deduktion von \varphi\vee\psi
mit Hypothesen aus \Gamma
, ist E eine Deduktion von \sigma
mit Hypothesen aus $\Gamma\cup{\varphi}$und ist F eine Deduktion von \sigma
mit Hypothesen aus \Gamma\cup\{\psi\}
, so ergibt sich die folgende Deduktion von \sigma
mit Hypothesen aus \Gamma
:
Disjunktionselimination Kurzform:
\quad [\psi] \quad[\varphi]
\quad \vdots \quad\vdots
\frac{\varphi\vee\psi \quad\sigma \quad\sigma}{\sigma} (\vee E)
Disjunktionseinführung (Kurzform)
\frac{\varphi}{\varphi\vee\psi} (\vee I_1) \quad \frac{\psi}{\varphi\vee\psi} (\vee I_2)
Negation
Negationseinführung in math. Beweisen
Ein mathematischer Beweis einer Aussage "\varphi
gilt nicht" sieht so aus:
- "Angenommen,$\varphi$gilt.
- Dann folgt
0=1
, denn .... Mit anderen Worten, dies führt zu einem Widerspruch. - Also haben wir gezeigt, dass
\varphi
nicht gilt. qed"
Die Aussage \varphi
ist also wieder eine "temporäre Hypothese".
Negationseinführung (ausführlich)
Ist D eine Deduktion von \bot
mit Hypothesen aus \Gamma\cup\{\varphi\}
, so ergibt sich die folgende Deduktion von \lnot\varphi
mit Hypothesen aus \Gamma
:
Kurzform:
[\varphi]
\vdots
\frac{\bot}{\lnot\varphi} (\lnot I)
Negationselimination (ausführlich)
Ist D eine Deduktion von \lnot\varphi
mit Hypothesen aus \Gamma
und ist E eine Deduktion von \varphi
mit Hypothesen aus \gamma
, so ergibt sich die folgende Deduktion von \bot
mit Hypothesen aus \Gamma
:
Kurzform: \frac{\lnot\varphi \quad \varphi}{\bot} (\lnot E)
Falsum
Hat man "$0=1$" bewiesen, so ist man bereit, alles zu glauben: ex falso sequitur quodlibet
ausführlich: Ist D eine Deduktion von \bot
mit Hypothesen aus \Gamma
, so ergibt sich die folgende Deduktion von \varphi
mit Hypothesen aus \Gamma
:
Kurzform: \frac{\bot}{\varphi} (\bot)
math. Widerspruchsbeweis
Ein indirekter Beweis einer Aussage "\varphi
gilt" sieht üblicherweise so aus:
- "Angenommen,
\varphi
gilt nicht, d.h.\lnot\varphi
gilt. - Dann folgt
0=1
, d.h. ein Widerspruch. - Also haben wir gezeigt, dass
\varphi
gilt. qed"
Die Aussage \lnot\varphi
ist also wieder eine "temporäre Hypothese".
reductio ad absurdum (ausführlich)
Ist D eine Deduktion von \bot
mit Hypothesen aus \Gamma\cup\{\lnot\varphi\}
, so ergibt sich die folgende Deduktion von \varphi
mit Hypothesen aus \Gamma
:
Kurzform:
[\lnot\varphi]
\vdots
\frac{\bot}{\varphi} (raa)
Regeln des natürlichen Schließens
Definition
Für eine Formelmenge
\Gamma
und eine Formel\varphi
schreiben wir\Gamma\Vdash\varphi
wenn es eine Deduktion gibt mit Hypothesen aus\Gamma
und Konklusion\varphi
. Wir sagen "\varphi
ist eine syntaktische Folgerung von $\Gamma$".Eine Formel
\varphi
ist ein Theorem, wenn\varnothing\Vdash\varphi
gilt.
Bemerkung
\Gamma\Vdash\varphi
sagt (zunächst) nichts über den Inhalt der Formeln in \Gamma\cup\{\varphi\}
aus, sondern nur über die Tatsache, dass \varphi
mithilfe des natürlichen Schließens aus den Formeln aus \Gamma
hergeleitet werden kann.
Ebenso sagt "\varphi
ist Theorem" nur, dass \varphi
abgeleitet werden kann, über "Wahrheit" sagt dieser Begriff (zunächst) nichts aus.
Satz
Für alle Formeln \varphi
und \psi
gilt \{\lnot(\varphi\vee\psi)\}\Vdash\lnot\varphi\wedge\lnot\psi
.
Beweis: Wir geben eine Deduktion an...
- ${\lnot\varphi\wedge\lnot\psi}\Vdash\lnot(\varphi\vee\psi)$
- ${\lnot\varphi\vee\lnot\psi}\Vdash\lnot(\varphi\wedge\psi)$
- ${\varphi\vee\psi} \Vdash \psi\vee\varphi$
Satz
Für jede Formel \varphi
ist \lnot\lnot\varphi\rightarrow\varphi
ein Theorem.
Beweis: Wir geben eine Deduktion mit Konklusion \lnot\lnot\varphi\rightarrow\varphi
ohne Hypothesen an...
Satz
Für jede Formel \varphi
ist \varphi\vee\lnot\varphi
ein Theorem.
Beweis: Wir geben eine Deduktion mit Konklusion \varphi\vee\lnot\varphi
ohne Hypothesen an...
Bemerkung: Man kann beweisen, dass jede Deduktion der letzten beiden Theoreme die Regel (raa) verwendet, sie also nicht "intuitionistisch" gelten.
Satz
\{\lnot(\varphi\wedge\psi)\}\Vdash\lnot\varphi\vee\lnot\psi
Semantik
Formeln sollen Verknüpfungen von Aussagen widerspiegeln, wir haben dies zur Motivation der einzelnen Regeln des natürlichen Schließens genutzt. Aber die Begriffe „syntaktische Folgerung“ und „Theorem“ sind rein syntaktisch definiert.
Erst die jetzt zu definierende „Semantik“ gibt den Formeln „Bedeutung“.
Idee der Semantik: wenn man jeder atomaren Formel p_i
einen Wahrheitswertzuordnet, so kann man den Wahrheitswert jeder Formel berechnen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Wahrheitswerte zu definieren:
- zweiwertige oder Boolesche Logik
B=\{0,1\}
: Wahrheitswerte „wahr“=1 und „falsch“= 0 - dreiwertige Kleene-Logik
K_3=\{0,\frac{1}{2},1\}
: zusätzlicher Wahrheitswert „unbekannt“=\frac{1}{2}
- Fuzzy-Logik
F=[0,1]
: Wahrheitswerte sind „Grad der Überzeugtheit“ - unendliche Boolesche Algebra $B_R$= Menge der Teilmengen von
\mathbb{R}
;A\subseteq\mathbb{R}
ist „Menge der Menschen, die Aussage für wahr halten“ - Heyting-Algebra $H_R$= Menge der offenen Teilmengen von
\mathbb{R}
- Erinnerung:
A\subseteq\mathbb{R}
offen, wenn\forall a\in A\exists\epsilon >0:(a-\epsilon,a+\epsilon)\subseteq A
, d.h., wennA
abzählbare Vereinigung von offenen Intervallen(x,y)
ist.
- Erinnerung:
Beispiele:
- offen:
(0,1), \mathbb{R}_{>0}, \mathbb{R}\backslash\{0\}, \mathbb{R}\backslash\mathbb{N}
- nicht offen:
[1,2), \mathbb{R}_{\geq 0}, \mathbb{Q}, \mathbb{N}, \{\frac{1}{n} | n\in\mathbb{N}\}, \mathbb{R}\backslash\mathbb{Q}
Sei W eine Menge von Wahrheitswerten.\
Eine W-Belegungist eine Abbildung B:V\rightarrow W
, wobei V\subseteq\{p_0 ,p_1 ,...\}
eine Menge atomarer Formeln ist.
Die W-Belegung B:V\rightarrow W
paßt zur Formel \phi
, falls alle atomaren Formeln aus \phi
zu V gehören.
Sei nun B eine W-Belegung. Was ist der Wahrheitswert der Formel p_0\vee p_1
unter der Belegung B?
Zur Beantwortung dieser Frage benötigen wir eine Funktion \vee_W :W\times W\rightarrow W
(analog für \wedge,\rightarrow,\lnot
).
Wahrheitswertebereiche
Definition: Sei W eine Menge und
R\subseteq W\times W
eine binäre Relation.
- R ist reflexiv, wenn
(a,a)\in R
für allea\in W
gilt. - R ist antisymmetrisch, wenn
(a,b),(b,a)\in R
impliziert, dassa=b
gilt (für allea,b\in W
). - R ist transitive, wenn
(a,b),(b,c)\in R
impliziert, dass(a,c)\in R
gilt (für allea,b,c\in W
). - R ist eine Ordnungsrelation, wenn R reflexiv, antisymmetrisch und transitiv ist. In diesem Fall heißt das Paar
(W,R)
eine partiell geordnete Menge.
Beispiel
- Sei
\leq
übliche Ordnung auf $\mathbb{R}$undW\subseteq\mathbb{R}
. Dann ist(W,\leq)
partiell geordnete Menge. - Sei
X
eine Menge undW\subseteq P(X)
. Dann ist(W,\subseteq)
partiell geordnete Menge. - Sei
W=P(\sum ∗)
und\leq_p
die Relation „es gibt Polynomialzeitreduktion“ (vgl. „Automaten, Sprachen und Komplexität“). Diese Relation ist reflexiv, transitiv, aber nicht antisymmetrisch (denn3-SAT\leq_p HC
undHC\leq_p 3-SAT
).
Definition: Sei
(W,\leq)
partiell geordnete Menge,M\subseteq W
unda\in W
.
- a ist obere Schranke von
M
, wennm\leq a
für allem\in M
gilt. - a ist kleinste obere Schranke oder Supremum von
M
, wenna
obere Schranke vonM
ist und wenna\leq b
für alle oberen Schrankenb
vonM
gilt. Wir schreiben in diesem Falla=sup \ M
. - a ist untere Schranke von
M
, wenna\leq m
für allem\in M
gilt. - a ist größte untere Schranke oder Infimum von
M
, wenn a untere Schranke vonM
ist und wennb\leq a
für alle unteren Schrankenb
vonM
gilt. Wir schreiben in diesem Falla=inf\ M
.
Beispiel
- betrachte
(W,\leq)
mitW=\mathbb{R}
und\leq
übliche Ordnung auf\mathbb{R}
.- Dann gelten
sup[0,1] = sup(0,1) =1
. sup\ W
existiert nicht (dennW
hat keine obere Schranke).
- Dann gelten
- betrachte
(W,\subseteq)
mitX
Menge undW =P(X)
.sup\ M=\bigcup_{A\in M} A
für alleM\subseteq W
- betrachte
(W,\subseteq)
mitW=\{\{0\},\{1\},\{0,1,2\},\{0,1,3\}\}
.sup\{\{0\},\{0,1,2\}\}=\{0,1,2\}
\{0,1,2\}
und\{0,1,3\}
sind die oberen Schranken vonM=\{\{0\},\{1\}\}
, aberM
hat kein Supremum
Definition: Ein (vollständiger) Verband ist eine partiell geordnete Menge
(W,\leq)
, in der jede MengeM\subseteq W
ein Supremumsup\ M
und ein Infimuminf\ M
hat. In einem Verband(W,\leq)
definieren wir:
0_W = inf\ W
und1_W= sup\ W
a\wedge_W b= inf\{a,b\}
unda\vee_W b= sup\{a,b\}
füra,b\in W
Bemerkung: In jedem Verband (W,\leq)
gelten 0_W= sup\ \varnothing
und 1_W= inf\ \varnothing
(denn jedes Element von W
ist obere und untere Schranke von \varnothing
).
Definition: Ein Wahrheitswertebereich ist ein Tupel
(W,\leq,\rightarrow W,\lnot W)
, wobei(W,\leq)
ein Verband und\rightarrow W:W^2 \rightarrow W
und\lnot W:W\rightarrow W
Funktionen sind.
Beispiel
-
Der Boolesche Wahrheitswertebereich B ist definiert durch die Grundmenge
B=\{0,1\}
, die natürliche Ordnung\leq
und die Funktionen\lnot_B (a) = 1-a
,\rightarrow_B(a,b) = max(b, 1 -a)
. Hier gelten:0_B=0
,1_B= 1
,a\wedge_B b= min(a,b)
,a\vee_B b= max(a,b)
-
Der Kleenesche Wahrheitswertebereich
K_3
ist definiert durch die GrundmengeK_3=\{0,\frac{1}{2},1\}
mit der natürlichen Ordnung\leq
und durch die Funktionen\lnot_{K_3} (a) = 1 -a
,\rightarrow_{K_3} (a,b) = max(b, 1-a)
. Hier gelten:\lnot_{K_3} = 0
,1_{K_3} = 1
a\wedge_{K_3} b= min(a,b)
,a\vee_{K_3} b= max(a,b)
-
Der Wahrheitswertebereich F der Fuzzy-Logik ist definiert durch die Grundmenge
F=[0,1]\subseteq\mathbb{R}
mit der natürlichen Ordnung\leq
und durch die Funktionen\lnot_F (a) = 1-a
,\rightarrow_F (a,b) = max(b, 1-a)
. Hier gelten:0_F= 0
,1_F= 1
a\wedge_F b= min(a,b)
,a\vee_F b= max(a,b)
-
Der Boolesche Wahrheitswertebereich
B_R
ist definiert durch die GrundmengeB_R=\{A|A\subseteq \mathbb{R}\}
mit der Ordnung\subseteq
und durch die Funktionen\lnot_{B_R} (A) =\mathbb{R}\backslash A
,\rightarrow_{B_R} (A,B) = B\cup\mathbb{R}\backslash A
. Hier gelten:0_{B_R}=\varnothing
,1_{B_R}=\mathbb{R}
A\wedge_{B_R} B=A\cap B
,A\vee_{B_R} B=A\cup B
-
Der Heytingsche Wahrheitswertebereich
H_R
ist definiert durch die GrundmengeHR=\{A\subseteq\mathbb{R} | \text{A ist offen}\}
, die Ordnung\subseteq
und durch die Funktionen\lnot_{H_R} (A) = Inneres(\mathbb{R}\backslash A)
,\rightarrow_{H_R} (A,B) =Inneres(B\cup \mathbb{R}\backslash A)
. Hier gelten:0_{H_R}=\varnothing
,1_{H_R}=\mathbb{R}
A\wedge_{H_R} B= A\cap B
,A\vee_{H_R} B=A\cup B
- Erinnerung:
Inneres(A) =\{a\in A|\exists \epsilon > 0 : (a-\epsilon,a+\epsilon)\subseteq A\}
- Beispiele:
Inneres((0,1))=(0,1)=Inneres([0,1]),Inneres(N)=\varnothing,Inneres(\mathbb{R}_{\geq 0}) = \mathbb{R}_{> 0}
Sei W ein Wahrheitswertebereich und B eine W-Belegung. Induktiv über den Formelaufbau definieren wir den Wahrheitswert \hat{B}(\phi)\in W
jeder zu B
passenden Formel \phi
:
\hat{B}(\bot) = 0_W
\hat{B}(p) = B(p)
fallsp
eine atomare Formel ist\hat{B}((\phi\wedge \psi )) = \hat{B}(\phi)\wedge_W \hat{B}(\psi )
\hat{B}((\phi\vee \psi )) = \hat{B}(\phi)\vee_W \hat{B}(\psi )
\hat{B}((\phi\rightarrow \psi )) = \rightarrow W(\hat{B}(\phi),\hat{B}(\psi ))
\hat{B}(\lnot\phi) = \lnot W(\hat{B}(\phi))
Wir schreiben im folgenden B(\phi)
anstatt \hat{B}(\phi)
.
Beispiel: Betrachte die Formel \phi= ((p\wedge q)\rightarrow (q\wedge p))
.
- Für eine beliebige B-Belegung
B:\{p,q\}\rightarrow B
giltB((p\wedge q)\rightarrow (q\wedge p)) = max(B(q\wedge p), 1 -B(p\wedge q)) = max(min(B(q),B(p)), 1 -min(B(p),B(q))) = 1 = 1_B
- Für die $K_3$-Belegung
B:\{p,q\}\rightarrow K_3
mit $B(p) =B(q) = \frac{1}{2}$} giltB((p\wedge q)\rightarrow (q\wedge p)) = max(B(q\wedge p), 1 -B(p\wedge q))= max(min(B(q),B(p)), 1 -min(B(p),B(q))) = \frac{1}{2} \not= 1_{K_3}
- analog gibt es eine F-Belegung
B:\{p,q\}\rightarrow F
, so dassB((p\wedge q)\rightarrow (q\wedge p)) \not = 1_F
gilt. - Für eine beliebigeHR-Belegung
B:\{p,q\}\rightarrow H_R
giltB((p\wedge q)\rightarrow (q\wedge p)) = Inneres(B(q\wedge p)\cup \mathbb{R}\backslash B(p\wedge q)) = Inneres((B(q)\cap B(p))\cup \mathbb{R}\backslash (B(p)\cap B(q))) = Inneres(\mathbb{R}) = \mathbb{R} = 1_{H_R}
Folgerung und Tautologie
Sei W ein Wahrheitswertebereich.
Eine Formel \phi
heißt eine W-Folgerung der Formelmenge \Gamma
, falls für jede W-Belegung B, die zu allen Formeln aus \Gamma \cup\{\phi\}
paßt, gilt:
inf\{B(\gamma )|\gamma \in \Gamma \}\leq B(\phi)
Wir schreiben \Gamma \Vdash W\phi
, falls \phi
eine W-Folgerung von \Gamma
ist.
Bemerkung: Im Gegensatz zur Beziehung \Gamma \vdash \phi
, d.h. zur syntaktischen Folgerung, ist \Gamma \Vdash W \phi
eine semantische Beziehung.
Eine W-Tautologie ist eine Formel \phi
mit \varnothing \Vdash W\phi
, d.h. B(\phi) = 1_W
für alle passenden W-Belegungen B (denn inf\{\hat{B}(\gamma )|\gamma \in \varnothing \}= inf \varnothing = 1_W)
.
Wahrheitstafel für den Booleschen Wahrheitswertebereich B:
RL | AK | BK | AK\vee BK |
AK\rightarrow BK |
(BK\wedge RL)\rightarrow\lnot AK |
RL | \lnot AK |
---|---|---|---|---|---|---|---|
0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 1 | 0 | 1 |
0 | 0 | 1 | 1 | 1 | 1 | 0 | 1 |
0 | 1 | 0 | 1 | 0 | 1 | 0 | 0 |
0 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 0 | 0 |
1 | 0 | 0 | 0 | 1 | 1 | 1 | 1 |
1 | 0 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
1 | 1 | 0 | 1 | 0 | 1 | 1 | 0 |
1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 0 | 1 | 0 |
Wir erhalten also ${(AK\vee BK),(AK\rightarrow BK), ((BK\wedge RL)\rightarrow \lnot AK),RL} \Vdash_B \lnot AK$ und können damit sagen:
„Wenn die Aussagen „Bauteil A oder Bauteil B ist kaputt“ und „daraus, dass Bauteil A kaputt ist, folgt, dass Bauteil B kaputt ist“ und... wahr sind, ... dann kann man die Folgerung ziehen: die Aussage „das Bauteil A ist heil“ ist wahr.“
Erinnerung aus der ersten Vorlesung: \{(AK\vee BK),(AK\rightarrow BK), ((BK\wedge RL)\rightarrow \lnot AK),RL\} \vdash \lnot AK
Beispiel
Sei \phi
beliebige Formel mit atomaren Formeln in V.
-
Sei
B:V\rightarrow B
eine B-Belegung. Dann giltB(\lnot\lnot\phi\rightarrow\phi) = \rightarrow B(\lnot B\lnot B(B(\phi)),B(\phi)) = max(B(\phi), 1 -( 1 -( 1 -B(\phi)))) = max(B(\phi), 1 -B(\phi)) = 1 = 1_B
.Also ist
\lnot\lnot\phi\rightarrow\phi
eine B-Tautologie (gilt ebenso für den WahrheitswertebereichB_R
). -
Sei
B:V\rightarrow H_R
eine $H_R$-Belegung mitB(\phi) =R\backslash\{0\}
. Dann geltenB(\lnot\phi) = Inneres(\mathbb{R}\backslash B(\phi)) = Inneres(\{0\}) =\varnothing
B(\lnot\lnot\phi) = Inneres(\mathbb{R}\backslash B(\lnot\phi)) = Inneres(\mathbb{R}) = \mathbb{R}
B(\lnot\lnot\phi\rightarrow\phi) = \rightarrow_{H_R} (B(\lnot\lnot\phi),B(\phi)) = \rightarrow_{H_R} (\mathbb{R},\mathbb{R}\backslash \{0\}) = Inneres(\mathbb{R}\backslash\{0\}\cup\mathbb{R}\backslash\mathbb{R}) = \mathbb{R}\backslash\{0\}\not =\mathbb{R}= 1_{H_R}
Also ist
\lnot\lnot\phi\rightarrow\phi
keine $H_R$-Tautologie (gilt ebenso für die WahrheitswertebereicheK_3
undF
). -
Sei
B:V\rightarrow B
eine B-Belegung. Dann giltB(\phi\vee\lnot\phi) = max(B(\phi), 1 -B(\phi)) = 1 = 1_B
.Also ist
\phi\vee\lnot\phi
eine B-Tautologie (gilt ebenso für den WahrheitswertebereichB_R
). -
Sei
B:V\rightarrow H_R
eine $H_R$-Belegung mitB(\phi)=\mathbb{R}\backslash\{0\}
. Dann giltB(\phi\vee\lnot\phi) = B(\phi)\cup B(\lnot\phi) = \mathbb{R}\backslash\{0\}\cup \varnothing \not= 1_{H_R}
.Also ist
\phi\vee\lnot\phi
keine $H_R$-Tautologie (gilt ebenso für die WahrheitswertebereicheK_3
undF
). -
Sei
B:V\rightarrow B
eine B-Belegung. Dann giltB(\lnot\phi\rightarrow\bot) = \rightarrow_B(B(\lnot\phi
),B(\bot)) = max(0,1-B(\lnot \phi)) = 1 -( 1 -B(\phi)) =B(\phi)$.Also haben wir
\{\lnot\phi\rightarrow\bot\}\Vdash B\phi
und\{\phi\}\Vdash B\lnot \phi\rightarrow\bot
.- Ebenso erhält man:
\{\lnot\phi\rightarrow\bot\}\Vdash_{K_3} \phi
\{\phi\}\Vdash_{K_3} \lnot\phi\rightarrow\bot
\{\lnot\phi\rightarrow\bot\}\Vdash_F\phi
\{\phi\}\Vdash F\lnot\phi\rightarrow\bot
- Ebenso erhält man:
-
Sei
B:D\rightarrow H_R
eine $H_R$-Belegung mitB(\phi) =\mathbb{R}\backslash\{0\}
. Dann giltB(\lnot\phi\rightarrow\bot) = Inneres(B(\bot )\cup \mathbb{R}\backslash B(\lnot\phi))= Inneres(\varnothing \cup \mathbb{R}\backslash\varnothing)= \mathbb{R} \not\supseteq B(\phi)
.also
\{\lnot\phi\rightarrow\bot\}\not\Vdash_{H_R} \phi
.Es gilt aber
\{\phi\}\Vdash_{H_R}\lnot \phi\rightarrow\bot
.
Zusammenfassung der Beispiele
B | B_R |
K_3 |
F | H_R |
||
---|---|---|---|---|---|---|
\varnothing\Vdash_W\lnot\lnot\phi\rightarrow\phi |
√ | √ | – | – | – | \varnothing\vdash \lnot\lnot\phi\rightarrow\phi |
\varnothing\Vdash_W\phi\vee\lnot\phi |
√ | √ | – | – | – | \varnothing\vdash\phi\vee\lnot\phi |
\{\lnot\phi\rightarrow\bot\}\Vdash_W\phi |
√ | √ | √ | √ | – | \{\lnot\phi\rightarrow\bot\}\vdash\phi |
\{\phi\}\Vdash_W\lnot\phi\rightarrow\bot |
√ | √ | √ | √ | √ | \{\phi\}\vdash\lnot\phi\rightarrow\bot |
√
in Spalte W:W-Folgerung gilt-
in Spalte W:W-Folgerung gilt nicht
Überblick: Wir haben definiert
\Gamma\vdash\phi
syntaktische Folgerung- Theorem („hypothesenlos ableitbar“)
\Gamma\Vdash_W \phi
(semantische) W-Folgerung- W-Tautologie („wird immer zu 1Wausgewertet“)
Frage: Was ist die Beziehung zwischen diesen Begriffen, insbes. zwischen „Theorem“ und „W-Tautologie“? Da z.B. B-Folgerung $\not =K_3$-Folgerung, hängt die Anwort von W ab.