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2020-10-14 08:30:59 +02:00

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Automaten, Sprachen und Komplexität Wintersemester 20/21 Robert Jeutter

Literaturempfehlung: Theoretische Informatik - kurz gefasst, Uwe Schöning, Spektrum Akademischer Weg

Einführung

Grundfrage

Welche Probleme können mit unseren begrenzten Resourcen gelöst werden und welche nicht?

bzw

Wo ist die grenze der Problemlösung mit unseren Resourcen?

Probleme (als Abbildung)

f: Menge der mögl Eingaben \rightarrow Menge der mögl Ausgaben

Spezialfall A={0,1} heißt Entscheidungsproblem. Sie ist gegeben durch die Menge der Eingaben.

Mengen nennt man "Sprachen"

(beschränkte) Resourcen

  • Art des Speicherzugriffs
  • Art der Steuereinheit (deterministisch?)
  • Dauer der Berechnung
  • Größe des Speichers

Grundbegriffe

Natürliche Zahlen \N = {0,1,2,3,...}

Definition: Für eine Menge X ist X* die Menge der endlichen Folgen über X.

Definition: Ein Alphabet ist eine endliche nichtleere Menge.

üblicherweise heißen Alphabete hier: $\Sum, \Gamma, \Delta$ Ist \Sum Alphabet, so nennen wir die Elemente oftBuchstaben. Ist \Sum ein Alphabet, so heißen die Elemente von \Sum* auch Wörter über \Sum (auch String/Zeichenkette)

Beispiele:

  • Alphabete:{0},{0,1,2},...{A,K,S,0,1,2,3,4,5,6,7,8,9}, {groß,klein}
  • keine Alphabete: \varempty, \N, \Q
  • Das Alphabet{0,1,2}hat also die drei Buchstaben 0, 1 und 2.
  • Das Alphabet{groß,klein}hat die zwei Buchstabengroßundklein
  • (0),()und(1,2,0,0) sind also Wörter über dem Alphabet{0,1,2}.
  • (groß),(klein,groß),(klein,groß,klein)und()sind Wörter überdem Alphabet{groß,klein}.
  • (1,2,0,0) wird geschrieben als 1 2 0 0
  • (1) wird geschrieben als1
  • () wird geschrieben als \epsilon (dasleere Wort)
  • (klein,groß,klein) wird geschrieben als klein.groß.klein

Definition: Sind u=(a_1, a_2, ...a_n) und v=(b_1, b_2,...,b_n) Wörter, so ist u*v das Wort (a_1,a_2,...a_n,b_1,b_2,...,b_n); es wird als Verkettung/Konkatenation von u und v bezeichnet.

An Stelle von u*v schreibt man auch uv

Beobachtung: \Sum* x \Sum* \rightarrow \Sum* ist eine Abbildung

  • Assoziativ: u*(w*v)=(u*w)*v
  • neutrales Element: \epsilon * u = u * \epsilon = u

Kürzer: (\Sum, *, \epsilon) ist ein Monoid

Definition: Für \omega \in \Sum* und n\in \N ist w^n induktiv definiert

w^n=\epsilon \text{ falls } n=0; \omega*\omega^{n-1} \text{ falls } n>0

Definition: Seien y,w Wörter über \Sum. Dann heißt

  • Präfix/Anfangsstück von w, wenn es z\in\Sum* gibt mit yz=w
  • Infix/Faktor von w, wenn es x,z \in \Sum* gibt mit xyz=w
  • Suffix/Endstück von w, wenn es x\in \Sum* gibt mit xy=w

Definition: Sei \Sum ein Alphabet. Teilmengen von \Sum* werden formale Sprachen über \Sum genannt.

Definition: Eine Menge L ist eine formale Sprache wenn es ein Alphabet \Sum gibt, so dass L formale Sprache über \Sum ist (d.h. L\subseteq \Sum*)

Definition: Sind L_1 und L_2 Sprachen, so heißt die Sprache L_1 L_2={w | \exists w_1 \in L_1, w_2 \in L_2: w=w_1 w_2} die Konkatenation/Verkettung von L_1 und L_2.

Beispiele:

  • ${0}{1}={0^i1^j | i,j>0}

  • {0}\cup {1}{0,1}* ist die Menge der Binärzahlen

  • Die Verkettung von Sprachen ist assoziativ

  • es gibt ein neutrales Element \epsilon

  • es gibt ein auslöschendes Element \varempty

Definition: Sei L Sprache und n\in\N. Dann ist L^n induktiv definiert: L^n = {\epsilon} \text{ falls } n=0; LL^{n-1} \text{ falls } n>0

Definition: Sei L eine Sprache. Dann ist L*=\bigcup_{n\geq 0} L^n der Kleene-Abschluss oder die Kleene-Iteration von L. Weiter ist L+ = \bigcup_{n\geq 0} L^n

L+ = L* L* = L* * L

Beobachtung: Sei \Sum Alphabet.

  • Sind L_1 und L_2 Sprachen über \Sum, so auch die Verkettung L_1L_2, die Kleene-Iteration L_1*, die positive Iteration L_1+, die Vereinigung L_1\cup L_2, die Differenz L_1 \ L_2 und der Schnitt L_1 \cap L_2.
  • \varempty, \Sum, \Sum* sind Sprachen über \Sum

Prioritätsregeln für Operationen auf Sprachen

  • Potenz/Iteration binden stärker als Konkatenation
  • Konkatenation stärker als Vereinigung/Durchschnitt/Differenz Sprechweise: "Klasse" von Sprachen ( nicht "Menge")

Definition: Grammatiken sind ein Mittel um alle syntaktisch korrekten Sätze (hier Wörter) einer Sprache zu erzeugen.

  • in spitzen Klammern: Variable
  • ohne spitze Klammern: Terminale

Bsp:

  • [Satz]->[Subjekt][Prädikat][Objekt]
  • [Subjekt]->[Artikel][Attribut][Substantiv]
  • [Artikel]->e | der | die | das

Eine Folge aus Terminalen nennt man eine Ableitung. Die Ableitung beweist, dass ein Satz zur Sprache gehört, die von der Grammatik erzeugt wird. Mithilfe der Grammatik ist es möglich, unendlich viele Sätze zu erzeugen.

D.h. die zur Grammatik gehörende Sprache ist unendlich.

Grammatiken besitzen Regeln der Form: linke Seite -> rechte Seite

Sowohl auf der linken, als auch auch der rechten Seite können zwei Tpyen von Symbolen vorkommen

  • Nicht-Terminale (oder Variablen), aus denen noch weitere Wortbestandteile abgeleitet werden sollen
  • Terminale (die "eigentlichen" Symbole)

Definition: Eine Grammatik G ist ein 4-Tupel G=(V, \sum, P, S) das folgende Bedingungen erfüllt

  • V ist eine endliche Menge von Nicht-Terminalen oder Variablen
  • \sum ist ein Alphabet (Menge der Terminale) mit V\cap \sum= \veremtpy, d.h. kein Zeichen ist gleichzeitig Terminal und Nicht-Terminal
  • P\subseteq (V\cup \sum)^+ \times (v\cup\sum)^* ist eine endliche Menge von Regeln oder Produktionen (Produktionsmenge)
  • S\in V ist das Startsymbol/ die Startvariable oder das Axiom

Jede Grammatik hat nur endlich viele Regeln!

Konventionen:

  • Variablen sind Großbuchstaben (Elemente aus V)
  • Terminale sind Kleinbuchstaben (Elemente aus \sum)

Definition: Sei G=(V, \sum, P, S) eine Grammatik und seien u,v\in (V\cup \sum)^+. Wir schreiben u\Rightarrow_G v falls eine Produktion (l,r)\in P und Wörter x,y\in(V\cup\sum)^* existieren mit u=xly und v=xry.

  • Sprechweise: "v wird aus u abgeleitet"
  • ist die Grammatik klar, so schreibt man u\Rightarrow v
  • für (l,r)\in P schreibt man auch l\rightarrow r

Definition: Sei G=(V, \sum, P, S) eine Grammatik. Eine Ableitung ist eine endliche Folge von Wörtern Ein Wort w\in (V\cup\sum)^* heißt Satzform, wenn es eine Ableitung gibt, deren letztes Wort w ist. Die Sprache L(G)={w\in \sum^* | S\Rightarrow_G^* w} aller Satzformen aus \sum^* heißt von G erzeugte Sprache.

Dabei ist \Rightarrow_G^* der reflexive und transitive Abschluss von \Rightarrow_G. D.h. die von G erzeugte Sprache L(G) besteht genau aus den Wörtern, die in beliebig vielen Schritten aus S abgeleitet werden können und nur aus Terminalen besteht.

Bemerkung: Für ein u\in(V\cip\sum)^* kann es entweder gar kein, ein oder mehrere v geben mit u\Rightarrow_G v. Ableiten ist also kein deterministischer sondern ein nichtdeterministoscher Prozess. Mit anderen Worten: \Rightarrow_G ist keine Funktion.

Nichtdeterminismus kann verursacht werden durch:

  • eine Regel ist an zwei verschiednen Stellen anwendbar

  • Zwei verschiedene Regeln sind anwendbar (entweder an der gleichen Stelle oder an verschiedenen Stellen)

  • es kann beliebig lange Ableitungen geben, die nie zu einem Wort aus Terminalsymbolen führt

  • manchmal können Ableitungen in einer Sackgasse enden, d.h. obwohl noch nichtterminale in einer Satzformen vorkommen, ist keine Regel mehr anwendbar.

Chomsky Hierarchie

. Typ 0 (Chomsky-0): Jede Grammatik ist vom Typ 0 (Semi-Thue-System)

  • Typ 1: Eine Regel heißt kontext-sensitiv, wenn es Wörter u,v,w\in(V\cup\sum)^*,|v|>0 und ein Nichtterminal A\in V gibt mit l=uAw und r=uvw. Eine Grammatik ist vom Typ 1 (oder kontext-sensitiv) falls
    • alle Regeln aus P kontext-sensitiv sind
    • (S\rightarrow \epsilon)\in P die einzige nicht kontext-sensitive Regel in P ist und S auf keiner rechten Seite einer Regel aus P vorkommt
  • Typ 2: eine Regel (l\rightarrow r) heißt kontext-frei wenn l\in V und r\in (V\cup \sum)^* gilt. Eine Grammatik ist vom Typ 2, falls sie nur kontext-freie Regeln enthält
  • Typ 3: Eine Regl ist rechtslinear, wenn l\in V und r\in \sum V\cup {\epsilon} gilt. Eine Grammatik ist vom Typ 3 wenn sie nur rechtslineare Regeln enthält

Definition: Eine Sprache heißt vom Typ i (4i\in {0,1,2,3}$) falls es eine Typ-i-Grammatik gibt mit L(G)=L. Wir bezeichnen mit L, die Klasse der Sprache vom Typ i.

Eine Sprache vom Typ i nennt man auch rekursiv aufzählbar (i=0, RE), kontext-sensitiv (i=1, CS), kontext-frei (i=2, CF) oder rechtslinear (i=3, REG).

Bemerkung:

  • jede Typ-3/2/1-Grammatik ist vom Typ 0
  • jede Typ-3-Grammatik ist vom Typ 2
  • Regeln der Form A\rightarrow \epsilon können in Typ 2 und 3 aber nicht in Typ 1 vorkommen

Satz: Es gibt einen Algorithmus, der als Eingabe eine Typ-1-Grammatik G und ein Wort w bekommst und nach endlicher Zeit entscheidet ob w\in L(G) gilt.