diff --git a/Assets/Logik-Beweisbaum.png b/Assets/Logik-Beweisbaum.png new file mode 100644 index 0000000..2675187 Binary files /dev/null and b/Assets/Logik-Beweisbaum.png differ diff --git a/Assets/Logik-beispiel-5.png b/Assets/Logik-beispiel-5.png new file mode 100644 index 0000000..692f68b Binary files /dev/null and b/Assets/Logik-beispiel-5.png differ diff --git a/Assets/Logik-beispiel-6.png b/Assets/Logik-beispiel-6.png new file mode 100644 index 0000000..54ea761 Binary files /dev/null and b/Assets/Logik-beispiel-6.png differ diff --git a/Logik und Logikprogrammierung.md b/Logik und Logikprogrammierung.md index a3a3f8c..d83d2b6 100644 --- a/Logik und Logikprogrammierung.md +++ b/Logik und Logikprogrammierung.md @@ -170,13 +170,7 @@ Damit sind wir überzeugt, dass das Bauteil A heil ist. Den Beweis, dass das Teil A heil ist, werden wir als "Beweisbaum" formalisieren: -``` - [AK] AK→BK -AK∨BK BK [BK] - BK RL - BK∧RL (BK∧RL)→ ¬AK - ¬AK -``` +![](Assets/Logik-Beweisbaum.png) In der Aussagenlogik gehen wir von "Aussagen" aus, denen wir (zumindest prinzipiell) Wahrheitswerte zuordnen können. @@ -412,24 +406,24 @@ $$\frac{\bot}{\varphi} (raa)$$ ## Regeln des natürlichen Schließens > Definition > -> Für eine Formelmenge $\Gamma$ und eine Formel $\varphi$ schreiben wir $\Gamma\vdash\varphi$ wenn es eine Deduktion gibt mit Hypothesen aus $\Gamma$ und Konklusion $\varphi$. Wir sagen "$\varphi$ ist eine syntaktische Folgerung von $\Gamma$". +> Für eine Formelmenge $\Gamma$ und eine Formel $\varphi$ schreiben wir $\Gamma\Vdash\varphi$ wenn es eine Deduktion gibt mit Hypothesen aus $\Gamma$ und Konklusion $\varphi$. Wir sagen "$\varphi$ ist eine syntaktische Folgerung von $\Gamma$". > -> Eine Formel $\varphi$ ist ein Theorem, wenn $\varnothing\vdash\varphi$ gilt. +> Eine Formel $\varphi$ ist ein Theorem, wenn $\varnothing\Vdash\varphi$ gilt. ### Bemerkung -$\Gamma\vdash\varphi$ sagt (zunächst) nichts über den Inhalt der Formeln in $\Gamma\cup\{\varphi\}$ aus, sondern nur über die Tatsache, dass $\varphi$ mithilfe des natürlichen Schließens aus den Formeln aus $\Gamma$ hergeleitet werden kann. +$\Gamma\Vdash\varphi$ sagt (zunächst) nichts über den Inhalt der Formeln in $\Gamma\cup\{\varphi\}$ aus, sondern nur über die Tatsache, dass $\varphi$ mithilfe des natürlichen Schließens aus den Formeln aus $\Gamma$ hergeleitet werden kann. Ebenso sagt "$\varphi$ ist Theorem" nur, dass $\varphi$ abgeleitet werden kann, über "Wahrheit" sagt dieser Begriff (zunächst) nichts aus. ### Satz -Für alle Formeln $\varphi$ und $\psi$ gilt $\{\lnot(\varphi\vee\psi)\}\vdash\lnot\varphi\wedge\lnot\psi$. +Für alle Formeln $\varphi$ und $\psi$ gilt $\{\lnot(\varphi\vee\psi)\}\Vdash\lnot\varphi\wedge\lnot\psi$. Beweis: Wir geben eine Deduktion an... -- $\{\lnot\varphi\wedge\lnot\psi\}\vdash\lnot(\varphi\vee\psi)$ +- $\{\lnot\varphi\wedge\lnot\psi\}\Vdash\lnot(\varphi\vee\psi)$ ![](Assets/Logik-beispiel-1.png) -- $\{\lnot\varphi\vee\lnot\psi\}\vdash\lnot(\varphi\wedge\psi)$ +- $\{\lnot\varphi\vee\lnot\psi\}\Vdash\lnot(\varphi\wedge\psi)$ ![](Assets/Logik-beispiel-2.png) -- $\{\varphi\vee\psi\} \vdash \psi\vee\varphi$ +- $\{\varphi\vee\psi\} \Vdash \psi\vee\varphi$ ![](Assets/Logik-beispiel-3.png) ### Satz @@ -437,15 +431,216 @@ Für jede Formel $\varphi$ ist $\lnot\lnot\varphi\rightarrow\varphi$ ein Theorem Beweis: Wir geben eine Deduktion mit Konklusion $\lnot\lnot\varphi\rightarrow\varphi$ ohne Hypothesen an... +![](Assets/Logik-beispiel-5.png) + ### Satz Für jede Formel $\varphi$ ist $\varphi\vee\lnot\varphi$ ein Theorem. Beweis: Wir geben eine Deduktion mit Konklusion $\varphi\vee\lnot\varphi$ ohne Hypothesen an... +![](Assets/Logik-beispiel-6.png) + Bemerkung: Man kann beweisen, dass jede Deduktion der letzten beiden Theoreme die Regel (raa) verwendet, sie also nicht "intuitionistisch" gelten. ### Satz -$\{\lnot(\varphi\wedge\psi)\}\vdash\lnot\varphi\vee\lnot\psi$ +$\{\lnot(\varphi\wedge\psi)\}\Vdash\lnot\varphi\vee\lnot\psi$ ![](Assets/Logik-beispiel-4.png) +## Semantik +Formeln sollen Verknüpfungen von Aussagen widerspiegeln, wir haben dies zur Motivation der einzelnen Regeln des natürlichen Schließens genutzt. +Aber die Begriffe „syntaktische Folgerung“ und „Theorem“ sind rein syntaktisch definiert. + +Erst die jetzt zu definierende „Semantik“ gibt den Formeln „Bedeutung“. + +Idee der Semantik: wenn man jeder atomaren Formel $p_i$ einen Wahrheitswertzuordnet, so kann man den Wahrheitswert jeder Formel berechnen. + +Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Wahrheitswerte zu definieren: +- zweiwertige oder Boolesche Logik $B=\{0,1\}$: Wahrheitswerte „wahr“=1 und „falsch“= 0 +- dreiwertige Kleene-Logik $K_3=\{0,\frac{1}{2},1\}$: zusätzlicher Wahrheitswert „unbekannt“$=\frac{1}{2}$ +- Fuzzy-Logik $F=[0,1]$: Wahrheitswerte sind „Grad der Überzeugtheit“ +- unendliche Boolesche Algebra $B_R$= Menge der Teilmengen von $\mathbb{R}$; $A\subseteq\mathbb{R}$ ist „Menge der Menschen, die Aussage für wahr halten“ +- Heyting-Algebra $H_R$= Menge der offenen Teilmengen von $\mathbb{R}$ + - Erinnerung: $A\subseteq\mathbb{R}$ offen, wenn $\forall a\in A\exists\epsilon >0:(a-\epsilon,a+\epsilon)\subseteq A$, d.h., wenn $A$ abzählbare Vereinigung von offenen Intervallen $(x,y)$ ist. + +Beispiele: +- offen: $(0,1), \mathbb{R}_{>0}, \mathbb{R}\backslash\{0\}, \mathbb{R}\backslash\mathbb{N}$ +- nicht offen: $[1,2), \mathbb{R}_{\geq 0}, \mathbb{Q}, \mathbb{N}, \{\frac{1}{n} | n\in\mathbb{N}\}, \mathbb{R}\backslash\mathbb{Q}$ + + +Sei W eine Menge von Wahrheitswerten.\\ +Eine W-Belegungist eine Abbildung $B:V\rightarrow W$, wobei $V\subseteq\{p_0 ,p_1 ,...\}$ eine Menge atomarer Formeln ist. + +Die W-Belegung $B:V\rightarrow W$ paßt zur Formel $\phi$, falls alle atomaren Formeln aus $\phi$ zu V gehören. + +Sei nun B eine W-Belegung. Was ist der Wahrheitswert der Formel $p_0\vee p_1$ unter der Belegung B? + +Zur Beantwortung dieser Frage benötigen wir eine Funktion $\vee_W :W\times W\rightarrow W$ (analog für $\wedge,\rightarrow,\lnot$). + +## Wahrheitswertebereiche +> Definition: Sei W eine Menge und $R\subseteq W\times W$ eine binäre Relation. +- R ist reflexiv, wenn $(a,a)\in R$ für alle $a\in W$ gilt. +- R ist antisymmetrisch, wenn $(a,b),(b,a)\in R$ impliziert, dass $a=b$ gilt (für alle $a,b\in W$). +- R ist transitive, wenn $(a,b),(b,c)\in R$ impliziert, dass $(a,c)\in R$ gilt (für alle $a,b,c\in W$). +- R ist eine Ordnungsrelation, wenn R reflexiv, antisymmetrisch und transitiv ist. In diesem Fall heißt das Paar $(W,R)$ eine partiell geordnete Menge. + +Beispiel +1. Sei $\leq$ übliche Ordnung auf $\mathbb{R}$und $W\subseteq\mathbb{R}$. Dann ist $(W,\leq)$ partiell geordnete Menge. +2. Sei $X$ eine Menge und $W\subseteq P(X)$. Dann ist $(W,\subseteq)$ partiell geordnete Menge. +3. Sei $W=P(\sum ∗)$ und $\leq_p$ die Relation „es gibt Polynomialzeitreduktion“ (vgl. „Automaten, Sprachen und Komplexität“). Diese Relation ist reflexiv, transitiv, aber nicht +antisymmetrisch (denn $3-SAT\leq_p HC$ und $HC\leq_p 3-SAT$). + +> Definition: Sei $(W,\leq)$ partiell geordnete Menge, $M\subseteq W$ und $a\in W$. +- a ist obere Schranke von $M$, wenn $m\leq a$ für alle $m\in M$ gilt. +- a ist kleinste obere Schranke oder Supremum von $M$, wenn $a$ obere Schranke von $M$ ist und wenn $a\leq b$ für alle oberen Schranken $b$ von $M$ gilt. Wir schreiben in diesem Fall $a=sup \ M$. +- a ist untere Schranke von $M$, wenn $a\leq m$ für alle $m\in M$ gilt. +- a ist größte untere Schranke oder Infimum von $M$, wenn a untere Schranke von $M$ ist und wenn $b\leq a$ für alle unteren Schranken $b$ von $M$ gilt. Wir schreiben in diesem Fall $a=inf\ M$. + +Beispiel +1. betrachte $(W,\leq)$ mit $W=\mathbb{R}$ und $\leq$ übliche Ordnung auf $\mathbb{R}$. + - Dann gelten $sup[0,1] = sup(0,1) =1$. + - $sup\ W$ existiert nicht (denn $W$ hat keine obere Schranke). +2. betrachte $(W,\subseteq)$ mit $X$ Menge und $W =P(X)$. + - $sup\ M=\bigcup_{A\in M} A$ für alle $M\subseteq W$ +3. betrachte $(W,\subseteq)$ mit $W=\{\{0\},\{1\},\{0,1,2\},\{0,1,3\}\}$. + - $sup\{\{0\},\{0,1,2\}\}=\{0,1,2\}$ + - $\{0,1,2\}$ und $\{0,1,3\}$ sind die oberen Schranken von $M=\{\{0\},\{1\}\}$, aber $M$ hat kein Supremum + +> Definition: Ein (vollständiger) Verband ist eine partiell geordnete Menge $(W,\leq)$, in der jede Menge $M\subseteq W$ ein Supremum $sup\ M$ und ein Infimum $inf\ M$ hat. +In einem Verband $(W,\leq)$ definieren wir: +- $0_W = inf\ W$ und $1_W= sup\ W$ +- $a\wedge_W b= inf\{a,b\}$ und $a\vee_W b= sup\{a,b\}$ für $a,b\in W$ + +Bemerkung: In jedem Verband $(W,\leq)$ gelten $0_W= sup\ \varnothing$ und $1_W= inf\ \varnothing$ (denn jedes Element von $W$ ist obere und untere Schranke von $\varnothing$). + +> Definition: Ein Wahrheitswertebereich ist ein Tupel $(W,\leq,\rightarrow W,\lnot W)$, wobei $(W,\leq)$ ein Verband und $\rightarrow W:W^2 \rightarrow W$ und $\lnot W:W\rightarrow W$ Funktionen sind. + +### Beispiel +- Der Boolesche Wahrheitswertebereich B ist definiert durch die Grundmenge $B=\{0,1\}$, die natürliche Ordnung $\leq$ und die Funktionen $\lnot_B (a) = 1-a$, $\rightarrow_B(a,b) = max(b, 1 -a)$. Hier gelten: + - $0_B=0$, $1_B= 1$, + - $a\wedge_B b= min(a,b)$, $a\vee_B b= max(a,b)$ + +- Der Kleenesche Wahrheitswertebereich $K_3$ ist definiert durch die Grundmenge $K_3=\{0,\frac{1}{2},1\}$ mit der natürlichen Ordnung $\leq$ und durch die Funktionen $\lnot_{K_3} (a) = 1 -a $, $\rightarrow_{K_3} (a,b) = max(b, 1-a)$. Hier gelten: + - $\lnot_{K_3} = 0$, $1_{K_3} = 1$ + - $a\wedge_{K_3} b= min(a,b)$, $a\vee_{K_3} b= max(a,b)$ +- Der Wahrheitswertebereich F der Fuzzy-Logik ist definiert durch die Grundmenge $F=[0,1]\subseteq\mathbb{R}$ mit der natürlichen Ordnung $\leq$ und durch die Funktionen $\lnot_F (a) = 1-a$, $\rightarrow_F (a,b) = max(b, 1-a)$. Hier gelten: + - $0_F= 0$, $1_F= 1$ + - $a\wedge_F b= min(a,b)$, $a\vee_F b= max(a,b)$ +- Der Boolesche Wahrheitswertebereich $B_R$ ist definiert durch die Grundmenge $B_R=\{A|A\subseteq \mathbb{R}\}$ mit der Ordnung $\subseteq$ und durch die Funktionen $\lnot_{B_R} (A) =\mathbb{R}\backslash A$, $\rightarrow_{B_R} (A,B) = B\cup\mathbb{R}\backslash A$. Hier gelten: + - $0_{B_R}=\varnothing$, $1_{B_R}=\mathbb{R}$ + - $A\wedge_{B_R} B=A\cap B$, $A\vee_{B_R} B=A\cup B$ +- Der Heytingsche Wahrheitswertebereich $H_R$ ist definiert durch die Grundmenge $HR=\{A\subseteq\mathbb{R} | \text{A ist offen}\}$, die Ordnung $\subseteq$ und durch die Funktionen $\lnot_{H_R} (A) = Inneres(\mathbb{R}\backslash A)$, $\rightarrow_{H_R} (A,B) =Inneres(B\cup \mathbb{R}\backslash A)$. Hier gelten: + - $0_{H_R}=\varnothing$, $1_{H_R}=\mathbb{R}$ + - $A\wedge_{H_R} B= A\cap B$, $A\vee_{H_R} B=A\cup B$ + - Erinnerung: $Inneres(A) =\{a\in A|\exists \epsilon > 0 : (a-\epsilon,a+\epsilon)\subseteq A\}$ + - Beispiele: $Inneres((0,1))=(0,1)=Inneres([0,1]),Inneres(N)=\varnothing,Inneres(\mathbb{R}_{\geq 0}) = \mathbb{R}_{> 0}$ + + +Sei W ein Wahrheitswertebereich und B eine W-Belegung. Induktiv über den Formelaufbau definieren wir den Wahrheitswert $\hat{B}(\phi)\in W$ jeder zu $B$ passenden Formel $\phi$: +- $\hat{B}(\bot) = 0_W$ +- $\hat{B}(p) = B(p)$ falls $p$ eine atomare Formel ist +- $\hat{B}((\phi\wedge \psi )) = \hat{B}(\phi)\wedge_W \hat{B}(\psi )$ +- $\hat{B}((\phi\vee \psi )) = \hat{B}(\phi)\vee_W \hat{B}(\psi )$ +- $\hat{B}((\phi\rightarrow \psi )) = \rightarrow W(\hat{B}(\phi),\hat{B}(\psi ))$ +- $\hat{B}(\lnot\phi) = \lnot W(\hat{B}(\phi))$ + +Wir schreiben im folgenden $B(\phi)$ anstatt $\hat{B}(\phi)$. + +Beispiel: Betrachte die Formel $\phi= ((p\wedge q)\rightarrow (q\wedge p))$. +- Für eine beliebige B-Belegung $B:\{p,q\}\rightarrow B$ gilt $B((p\wedge q)\rightarrow (q\wedge p)) = max(B(q\wedge p), 1 -B(p\wedge q)) = max(min(B(q),B(p)), 1 -min(B(p),B(q))) = 1 = 1_B$ +- Für die $K_3$-Belegung $B:\{p,q\}\rightarrow K_3$ mit $B(p) =B(q) = \frac{1}{2}$} gilt $B((p\wedge q)\rightarrow (q\wedge p)) = max(B(q\wedge p), 1 -B(p\wedge q))= max(min(B(q),B(p)), 1 -min(B(p),B(q))) = \frac{1}{2} \not= 1_{K_3}$ +- analog gibt es eine F-Belegung $B:\{p,q\}\rightarrow F$, so dass $B((p\wedge q)\rightarrow (q\wedge p)) \not = 1_F$ gilt. +- Für eine beliebigeHR-Belegung $B:\{p,q\}\rightarrow H_R$ gilt $B((p\wedge q)\rightarrow (q\wedge p)) = Inneres(B(q\wedge p)\cup \mathbb{R}\backslash B(p\wedge q)) = Inneres((B(q)\cap B(p))\cup \mathbb{R}\backslash (B(p)\cap B(q))) = Inneres(\mathbb{R}) = \mathbb{R} = 1_{H_R}$ + +## Folgerung und Tautologie +Sei W ein Wahrheitswertebereich. +Eine Formel $\phi$ heißt eine W-Folgerung der Formelmenge $\Gamma$, falls für jede W-Belegung B, die zu allen Formeln aus $\Gamma \cup\{\phi\}$ paßt, gilt: + $inf\{B(\gamma )|\gamma \in \Gamma \}\leq B(\phi)$ + +Wir schreiben $\Gamma \Vdash W\phi$, falls $\phi$ eine W-Folgerung von $\Gamma$ ist. + +Bemerkung: Im Gegensatz zur Beziehung $\Gamma \vdash \phi$, d.h. zur syntaktischen Folgerung, ist $\Gamma \Vdash W \phi$ eine semantische Beziehung. + +Eine W-Tautologie ist eine Formel $\phi$ mit $\varnothing \Vdash W\phi$, d.h. $B(\phi) = 1_W$ für alle passenden W-Belegungen B (denn $inf\{\hat{B}(\gamma )|\gamma \in \varnothing \}= inf \varnothing = 1_W)$. + +Wahrheitstafel für den Booleschen Wahrheitswertebereich B: + +| RL | AK | BK | $AK\vee BK$ | $AK\rightarrow BK$ | $(BK\wedge RL)\rightarrow\lnot AK$ | RL | $\lnot AK$ | +| --- | --- | --- | --- | --- | --- | --- | --- | +0 |0 |0 |0 |1 |1 |0 |1 +0 |0 |1 |1 |1 |1 |0 |1 +0 |1 |0 |1 |0 |1 |0 |0 +0 |1 |1 |1 |1 |1 |0 |0 +1 |0 |0 |0 |1 |1 |1 |1 +1 |0 |1 |1 |1 |1 |1 |1 +1 |1 |0 |1 |0 |1 |1 |0 +1 |1 |1 |1 |1 |0 |1 |0 + + +Wir erhalten also $\{(AK\vee BK),(AK\rightarrow BK), ((BK\wedge RL)\rightarrow \lnot AK),RL\} \Vdash_B \lnot AK$ +und können damit sagen: + +„Wenn die Aussagen „Bauteil A oder Bauteil B ist kaputt“ und „daraus, dass Bauteil A kaputt ist, folgt, dass Bauteil B kaputt ist“ und... wahr sind, ... dann kann man die Folgerung ziehen: die Aussage „das Bauteil A ist heil“ ist wahr.“ + +Erinnerung aus der ersten Vorlesung: $\{(AK\vee BK),(AK\rightarrow BK), ((BK\wedge RL)\rightarrow \lnot AK),RL\} \vdash \lnot AK$ + +Beispiel +Sei $\phi$ beliebige Formel mit atomaren Formeln in V. +- Sei $B:V\rightarrow B$ eine B-Belegung. Dann gilt + + $B(\lnot\lnot\phi\rightarrow\phi) = \rightarrow B(\lnot B\lnot B(B(\phi)),B(\phi)) = max(B(\phi), 1 -( 1 -( 1 -B(\phi)))) = max(B(\phi), 1 -B(\phi)) = 1 = 1_B$. + + Also ist $\lnot\lnot\phi\rightarrow\phi$ eine B-Tautologie (gilt ebenso für den Wahrheitswertebereich $B_R$). +- Sei $B:V\rightarrow H_R$ eine $H_R$-Belegung mit $B(\phi) =R\backslash\{0\}$. Dann gelten + - $B(\lnot\phi) = Inneres(\mathbb{R}\backslash B(\phi)) = Inneres(\{0\}) =\varnothing$ + - $B(\lnot\lnot\phi) = Inneres(\mathbb{R}\backslash B(\lnot\phi)) = Inneres(\mathbb{R}) = \mathbb{R}$ + - $B(\lnot\lnot\phi\rightarrow\phi) = \rightarrow_{H_R} (B(\lnot\lnot\phi),B(\phi)) = \rightarrow_{H_R} (\mathbb{R},\mathbb{R}\backslash \{0\}) = Inneres(\mathbb{R}\backslash\{0\}\cup\mathbb{R}\backslash\mathbb{R}) = \mathbb{R}\backslash\{0\}\not =\mathbb{R}= 1_{H_R}$ + + Also ist $\lnot\lnot\phi\rightarrow\phi$ keine $H_R$-Tautologie (gilt ebenso für die Wahrheitswertebereiche $K_3$ und $F$). +- Sei $B:V\rightarrow B$ eine B-Belegung. Dann gilt + + $B(\phi\vee\lnot\phi) = max(B(\phi), 1 -B(\phi)) = 1 = 1_B$. + + Also ist $\phi\vee\lnot\phi$ eine B-Tautologie (gilt ebenso für den Wahrheitswertebereich $B_R$). +- Sei $B:V\rightarrow H_R$ eine $H_R$-Belegung mit $B(\phi)=\mathbb{R}\backslash\{0\}$. Dann gilt + $B(\phi\vee\lnot\phi) = B(\phi)\cup B(\lnot\phi) = \mathbb{R}\backslash\{0\}\cup \varnothing \not= 1_{H_R}$. + + Also ist $\phi\vee\lnot\phi$ keine $H_R$-Tautologie (gilt ebenso für die Wahrheitswertebereiche $K_3$ und $F$). +- Sei $B:V\rightarrow B$ eine B-Belegung. Dann gilt + + $B(\lnot\phi\rightarrow\bot) = \rightarrow_B(B(\lnot\phi$),B(\bot)) = max(0,1-B(\lnot \phi)) = 1 -( 1 -B(\phi)) =B(\phi)$. + + Also haben wir $\{\lnot\phi\rightarrow\bot\}\Vdash B\phi$ und $\{\phi\}\Vdash B\lnot \phi\rightarrow\bot$. + - Ebenso erhält man: + - $\{\lnot\phi\rightarrow\bot\}\Vdash_{K_3} \phi$ + - $\{\phi\}\Vdash_{K_3} \lnot\phi\rightarrow\bot$ + - $\{\lnot\phi\rightarrow\bot\}\Vdash_F\phi$ + - $\{\phi\}\Vdash F\lnot\phi\rightarrow\bot$ +- Sei $B:D\rightarrow H_R$ eine $H_R$-Belegung mit $B(\phi) =\mathbb{R}\backslash\{0\}$. Dann gilt + $B(\lnot\phi\rightarrow\bot) = Inneres(B(\bot )\cup \mathbb{R}\backslash B(\lnot\phi))= Inneres(\varnothing \cup \mathbb{R}\backslash\varnothing)= \mathbb{R} \not\supseteq B(\phi)$. + + also $\{\lnot\phi\rightarrow\bot\}\not\Vdash_{H_R} \phi$. + + Es gilt aber $\{\phi\}\Vdash_{H_R}\lnot \phi\rightarrow\bot$. + +Zusammenfassung der Beispiele + +| | B | $B_R$ | $K_3$ | F | $H_R$ | | +| --- |--- | --- |--- | --- | --- | --- | +| $\varnothing\Vdash_W\lnot\lnot\phi\rightarrow\phi$ | √ | √ | – | – | – | $\varnothing\vdash \lnot\lnot\phi\rightarrow\phi$ | +| $\varnothing\Vdash_W\phi\vee\lnot\phi$ | √ | √ |–| –| –| $\varnothing\vdash\phi\vee\lnot\phi$ +| $\{\lnot\phi\rightarrow\bot\}\Vdash_W\phi$ | √ | √ |√ |√ | – | $\{\lnot\phi\rightarrow\bot\}\vdash\phi$ | +| $\{\phi\}\Vdash_W\lnot\phi\rightarrow\bot$ | √| √ |√ |√ |√ | $\{\phi\}\vdash\lnot\phi\rightarrow\bot$ + +- $√$ in Spalte W:W-Folgerung gilt +- $-$ in Spalte W:W-Folgerung gilt nicht + + +> Überblick: Wir haben definiert +- $\Gamma\vdash\phi$ syntaktische Folgerung + - Theorem („hypothesenlos ableitbar“) +- $\Gamma\Vdash_W \phi$ (semantische) W-Folgerung + - W-Tautologie („wird immer zu 1Wausgewertet“) + +Frage: Was ist die Beziehung zwischen diesen Begriffen, insbes. zwischen „Theorem“ und „W-Tautologie“? Da z.B. B-Folgerung $\not =K_3$-Folgerung, hängt die Anwort von W ab. +