Elementare Wahrscheinlichkeitsrechnung
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@ -331,3 +331,68 @@ Um formal auszudrücken, warum dieses Kryptosystem nicht ,,sicher'' ist, wenn Sc
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### Wiederholung: Elementare Wahrscheinlichkeitsrechnung
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Die in dieser Vorlesung benötigten Konzepte aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung wurden in den Veranstaltungen ,,Grundlagen und Diskrete Strukturen'' und ,,Stochastik für Informatiker'' im Prinzip behandelt.Wir erinnern hier kurz an die für unsere Zwecke wichtigen Konzepte und legen Notation fest.
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Beispiel: Ein Wahrscheinlichkeitsraum, mit dem man das Zufallsexperiment ,,Einmaliges Werfen eines fairen Würfels'' modellieren kann, ist $\Omega=\{ 1 , 2 , 3 , 4 , 5 , 6\}$ mit der Idee, dass jede ,,Augenzahl'' $a\in\Omega$ Wahrscheinlichkeit $\frac{1}{6}$ hat. Die Wahrscheinlichkeit, $5$ oder $6$ zu würfeln, schreibt man dann als $Pr(\{5,6\})=\frac{1}{3}$, die Wahrscheinlichkeit für eine gerade Augenzahl als $Pr(\{2,4,6\})=\frac{1}{2}$. Allgemein gilt jede Menge $A\subseteq\Omega$ als ,,Ereignis'' mit Wahrscheinlichkeit $Pr(A) =|A|/|\Omega|$.
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Wir fassen unsere Grundbegriffe etwas allgemeiner insofern, als wir auch verschiedene Wahrscheinlichkeiten für Elementarereignisse $a\in\Omega$ zulassen und es erlaubt ist,dass $\Omega$ abzählbar unendlich ist. Wir beschränken uns aber auf den Fall endlicher oder abzählbarer Wahrscheinlichkeitsräume, sogenannter diskreter W-Räume.
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**Definition**: Ein (diskreter) Wahrscheinlichkeitsraum ist ein Paar $(\Omega,Pr)$, wobei
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- $\Omega$ eine nichtleere endliche oder abzählbar unendliche Menge und
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- $Pr:P(\Omega)\rightarrow[0,1]$ eine Abbildung ($P(\Omega)=\{A|A\subseteq\Omega\}$ ist die Potenzmenge)
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ist, sodass Folgendes gilt:
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1. $Pr(\Omega) = 1$
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2. für alle $A\subseteq\Omega$ gilt $Pr(A)=1-Pr(A)$, für $A=\Omega\backslash A$
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3. für alle $A_1,A_2,...\in P(\Omega)$ gilt, falls die Mengen $A_i$ paarweise disjunkt sind: $Pr(\bigcup A_i)=\sum_{i\geq i}^{\infty} Pr(A_i)$ ( ,,$\sigma$-Additivität'' )
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Man nennt
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- die Elemente von $\Omega$ Ergebnisse oder Elementarereignisse,
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- die Elemente von $P(\Omega)$ (also die Teilmengen von $\Omega$) Ereignisse und
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- $Pr$ die Wahrscheinlichkeitsverteilung
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des Wahrscheinlichkeitsraums $(\Omega,Pr)$. Für $A\in P(\Omega)$ heißt $Pr(A)$ die Wahrscheinlichkeit von $A$.
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Bemerkung 1.13 $Pr(A) =\sum_{a\in A} Pr(\{a\})$ , d.h., die Wahrscheinlichkeitsverteilung $Pr$ ist durch die Wahrscheinlichkeitsfunktion $\Omega\rightarrow[0,1],a \rightarrow p_a= Pr(\{a\})$, eindeutig gegeben.
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Wir schreiben auch für diese Funktion $Pr$ und damit $Pr(a)$ anstelle von $Pr(\{a\})$. Es gilt dann: $Pr(A)=\sum_{a\in A} Pr(a)$, für jedes Ereignis A, und insbesondere $\sum_{a\in\Omega}Pr(a) = 1$.
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Sei nun $\Omega$ sogar endlich. Dann ist die uniforme Verteilung (oder Gleichverteilung) die Wahrscheinlichkeitsverteilung $A\rightarrow\frac{|A|}{|\Omega$|}$, für Ereignisse $A\in P(\Omega)$, mit der Wahrscheinlichkeitsfunktion $a\rightarrow \frac{1}{|\Omega|}$, für $a\in\Omega$.
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Lemma 1.14 Sei $(\Omega,Pr)$ ein Wahrscheinlichkeitsraum und seien $A,B\subseteq\Omega$ Ereignisse. Dann gilt $Pr(A\B)\geq Pr(A)-Pr(B)$.
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Beweis: Für Ereignisse $C\subseteq D$ gilt stets $Pr(C)=\sum_{a\in C} Pr(a)\leq \sum_{a\in D} Pr(a) = Pr(D)$.
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Daher gilt $Pr(A\B) + Pr(B) = Pr((A\B)\cup B) = Pr(A\cup B)\geq Pr(A)$.
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Sei $(\Omega,Pr)$ Wahrscheinlichkeitsraum, B Ereignis mit $Pr(B)> 0$. Definiere $Pr_B:P(\Omega)\rightarrow[0,1],A \rightarrow\frac{Pr(A\cap B)}{Pr(B)}$.
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Dann ist $(\Omega,Pr_B)$ selbst ein Wahrscheinlichkeitsraum, wie man leicht nachrechnet. Intuitiv ist $Pr_B(A)$ die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von $A$, wenn schon bekannt ist, dass $B$ eingetreten ist. Daher nennt man $Pr_B$ die bedingte Wahrscheinlichkeit bzgl. B und schreibt für $Pr_B(A)$ auch $Pr(A|B)$. Aus der Definition folgt die Grundformel $Pr(A\cap B) = Pr(A|B)*Pr(B)$.
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Achtung: die bedingte Wahrscheinlichkeit $Pr(A|B)$ ist nur definiert, wenn $Pr(B)> 0$ gilt.
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Lemma 1.15 Sei $(\Omega,Pr)$ ein Wahrscheinlichkeitsraum.
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1. (,,Formel von der totalen Wahrscheinlichkeit'') Seien $B_1,...,B_t$ disjunkte Ereignisse mit $Pr(B_1\cup...\cup B_t)=1$. Dann gilt $Pr(A)=\sum_{1\leq s\leq t} Pr(A|B_s)Pr(B_s)$.
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2. Seien $A,B,C$ Ereignisse mit $Pr(B\cap C),Pr(C\B)>0$. Dann gilt $Pr(A|C)=Pr(A\cap B|C) + Pr(A\B|C)= Pr(A|B\cap C)Pr(B|C) + Pr(A|C\B)Pr(\bar{B}|C)$.
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Beispiel: In dem Würfel-Wahrscheinlichkeitsraum mit $\Omega=\{1,...,6\}$ und der uniformen Verteilung betrachten wir die Ereignisse $A=\{3,6\}$ (durch 3 teilbare Augenzahl) und $B=\{2,4,6\}$ (gerade Augenzahl). Wir haben: $Pr(A\cap B) = Pr(\{6\})=\frac{1}{6}=\frac{1}{3}*\frac{1}{2}=Pr(A)*Pr(B)$.
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Damit sind die Ereignisse {Augenzahl ist gerade} und {Augenzahl ist durch 3 teilbar} (stochastisch) unabhängig im folgenden Sinn:
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**Definition 1.16** Sei $(\Omega,Pr)$ ein Wahrscheinlichkeitsraum und seien $A,B$ Ereignisse. Dann heißen A und B unabhängig, wenn $Pr(A\cap B)=Pr(A)*Pr(B)$ gilt.
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Bemerkung: Wenn $Pr(B)> 0$ gilt, dann sind $A$ und $B$ genau dann unabhängig, wenn $Pr(A) = \frac{Pr(A\cap B)}{Pr(B)})= Pr(A|B)$ gilt. Das bedeutet, dass sich durch die Information, dass B eingetreten ist, nichts an der Wahrscheinlichkeit für $A$ ändert. (Im Beispiel: Wenn wir wissen, dass die Augenzahl $b$ eim Würfeln gerade ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit für eine Augenzahl, die durch 3 teilbar ist, genau, genau dieselbe wie im gesamten Wahrscheinlichkeitsraum.)
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**Zufallsvariable bzw. Zufallsgrößen** Zufallsvariable ordnen den Ergebnissen eines Experiments (d.h. eines Wahrscheinlichkeitsraums) ,,Werte'' aus einer Menge R zu. (Diese Werte können Zahlen oder andere ,,Eigenschaften'' sein.)
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**Definition 1.17** Sei $(\Omega,Pr)$ ein Wahrscheinlichkeitsraum und R eine endliche oder abzählbare Menge. Eine Zufallsvariable ist eine Abbildung $X:\Omega\rightarrow R$.
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Zufallsvariablen mit $R\subseteq R$ heißen reelle Zufallsvariable.
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Beispiel 1.18 Zu $\Omega=\{1,2,...,N\}^q$ (q,$N\geq 1$) betrachten wir den Wahrscheinlichkeitsraum $(\Omega,Pr)$ mit der Gleichverteilung $Pr$. Beispiele für Zufallsvariablen sind:
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- $R=\mathbb{N}$ und $X:\Omega\rightarrow R,(a_1,...,a_q)\rightarrow a_5$ (eine Projektion, definiert für $q\geq 5$)
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- $R=\{-1,0,1\}$ und $Y_{ij}((a_1,...,a_q))=\begin{cases} -1\quad\text{falls } a_i< a_j\\ 0\quad\text{falls} a_i=a_j, \text{für } 1\leq i < j\leq n \\ 1\quad\text{falls } a_i> a_j\end{cases}$
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- $R=\mathbb{N}$ und $Z:\Omega\rightarrow R,(a_1 ,...,a_q)\rightarrow\sum_{1\leq i\leq q} a_i$
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Sei $X:\Omega\rightarrow R$ eine Zufallsvariable. Für $S\subseteq R$ setze $Pr^X(S):= Pr(X^{-1}(S))=Pr(\{a\in\Omega|X(a)\in S\})$. Dann ist $(R,Pr^X)$ ein Wahrscheinlichkeitsraum. Dieser heißt der von $X$ auf $R$ induzierte Wahrscheinlichkeitsraum. $Pr^X$ heißt auch die Verteilung von $X$.
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Schreibweisen: Für $S\subseteq R$ ist $X^{-1}(S)=\{a\in\Omega|X(a)\in S\}$ ein Ereignis, für das wir ,,$X\in S$'' oder ,,$\{X\in S\}$'' schreiben. Für $X^{-1}(r)=\{a\in\Omega|X(a) =r\}$ schreiben wir analog ,,$X=r$'' oder ,,$\{X=r\}$''. Insbesondere schreiben wir: $Pr(X=r)=PX(r)=Pr(X^{-1}(r))$ und $Pr(X\in S)=P^X(S)=Pr(X^{-1}(S))$.
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Sind $X_i:\Omega\rightarrow R_i$ Zufallsvariable und $S_i\subseteq R_i$, für $i=1,2$, dann schreiben wir ,,$\{X_1\in S_1,X_2\in S_2\}$'' für das Ereignis $X^{-1}(S_1)\cap X^{-1}(S_2)$. Die beiden Zufallsvariablen $X_1$ und $X_2$ heißen unabhängig, wenn $Pr(X_1\in S_1,X_2\in S_2)=Pr(X_1\in S_1)*Pr(X_2\in S_2)$ gilt, für alle $S_i\subseteq R_i,i=1,2$. Dies ist gleichbedeutend mit der Forderung $Pr(X_1=r_1,X_2=r_2)=Pr(X_1=r_1)*Pr(X_2=r_2)$ für alle $r_i\in R_i, i=1,2$.
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